Aus aktuellem Anlass
..., ein satirisch-gedachtes Gleichnis:
Ein argentinisches Forschungsteam trat besorgt an die Öffentlichkeit, weil sie statistisch nachwiesen, dass die meisten Menschen weltweit im Bett sterben. Ersten abweisenden, offiziellen Reaktionen Argentiniens zum Trotz und dank einem internationalen Medienaufschrei sekundiert von besorgten Stimmen aus der WHO und der UN, richtete sich global der Blick nun bange auf diesen Umstand. Man hörte aus verschiedenen südamerikanischen Ländern, die sich dieses endemischen Umstandes als erstes angenommen hatten, wie erste Massnahmen beschlossen wurden. Notfall-Salsa Clubs wurden reihenweise aus dem Boden gestampft, damit die Leute abends länger aufblieben. Argentinien schliesslich preschte vor, um sogar das generelle Bettverbot zu verhängen. Die Bevölkerungen Südamerikas wurden angehalten, im Stehen zu schlafen, notfalls auch im Sitzen und für alte Leute, aber nur aus Pietätsgründen, auf dem kleinen Teppich liegend vor dem Bett. Kurz, die südamerikanischen Länder überschlugen sich plötzlich mit einschneidenden Radikalmassnahmen. Unterdessen wurde berichtet, dass auch in der Schweiz, alleine im Kanton Aargau seit Monatsbeginn 8 Personen im Bett gestorben seien. International nahm eine renommierte Universität die Zählung der globalen Betttoten auf, welche der WHO gemeldet wurden. So wurde nun international viel diskutiert, geforscht und auch gestritten. Einschlägig motivierte Kreise meinten sofort, dass einzig die richtige Bettimpfung der Bettsterblichkeit Herr werden könnte und schafften es auch mühelos, ihren Pfründen Milliarden von Forschungsgeldern zufliessen zu lassen. Und dies, obschon bisher solche Impfungen als unlukrativ, weil zu unsicher galten. Andere fanden, es sei halt eine Frage des richtigen Bettmümpfeli. Es würde da generell zu viel Süsses gegessen, das sei halt zu ungesund und würde die Bettsterblichkeit nach oben drücken. Aber mit Bio-Dinkel und Haselnüssen würde das Risiko schon beachtlich gesenkt. Ikea preschte mit der Ankündigung hervor, sie seien mit der WHO und anderen Partnerinstitutionen daran, ein zu 98.7% sichereres Bett, das Saivör, zu entwickeln. Dies wurde daraufhin in der Tat medial breit, da wohl aus einschlägiger Richtung gesponsert – laut verschwörungstheoretischen Kreisen zumindest –, diskutiert, ob und wie eine Saivör-Bettpflicht einzuführen sei. Diese Diskussionen wurden zum einen dadurch eingeheizt, als geleakt wurde, dass der amerikanische Präsident persönlich im Ikeahauptwerk in Polen angerufen habe, um die Saivör-Produktion exklusiv für den amerikanischen Markt zu reservieren. Auf der anderen Seite sorgte ein Interview des SRF mit dem in der Ostschweiz ansässigen Ikeabesitzer, der darin grosskotzig verkündete, es gäbe erst wieder eine normale Bettruhe, wenn „wir 7 Milliarden Menschen in Saivör gebettet hätten“, für Furore – allerdings nur in alternativen Medien, die den Ikeabesitzer der vermeintlichen Philanthropie und der Befangenheit bezichtigten. Andere gingen jedoch sogar soweit, eine weltweite Bettverschwörung zu wittern – die Menschen würden nämlich gar nicht dort, aber wo ganz anders sterben! Die Skurrilität nahm allgemein durch die medial geschürte Verunsicherung zu. Jeder liess nun sicherheitshalber bei sich die ganze Nacht alle Lichter brennen und die Bildmedien brachten am Laufmeter Beiträge über Bettpioniere, die kurzerhand ihre Schlafzimmertüren zumauern liessen. Und selbst die Tagesschau kam nicht umhin, von tragischen Kindstoten in Betten zu berichten, während solche, die darauf hinwiesen, dass sich doch laut Statistik der mediane Altersdurchschnitt der Betttoten über der Lebenserwartung befinden würde, als Euthanasisten verunglimpft wurden, die allesamt nicht zögern würden, wehrlosen alten Omas mit Bettkissen den Garaus zu machen. Es gab sogar Berichte über Polizeieinsätze, weil ein Nachbar dabei erwischt wurde, dass er heimlich versuchte, in sein Bett zu steigen.
Als wäre das medial verursachte Chaos der öffentlichen Meinung nicht schon strapazierend genug, stellte sich nun auch noch heraus, dass die empfohlenen und durchgesetzten Massnahmen zu argen Wirtschaftseinbussen führten, da die übernächtigten Bürger begannen des Tages im bequemen Bürosessel zu schlummern. Alleine in Uruguay, wo die radikalsten Notstandsalsagesetze erlassen wurden und die Bevölkerung Monatelang ganze Nächte auf der Strasse durchtanzen musste, wurde ein BIP-Einbruch übers Jahr von mindesten 20 % erwartet. Auch wurde von unabhängigen Wirtschaftspsychologen moniert, dass sich das Notstandsalsatanzen durch die ganze Nacht sehr negativ auf die Arbeitsmoral einer ganzen Generation auswirken würde – die längerfristigen Folgen wären also noch ungleich unvorhersehbarer! Auch stellte sich heraus, dass Unfälle aus Übermüdung wie die sich aus akutem und notorischem Schlafmangel ergebenden Erschöpfungstoten rasant anstiegen. Ein Umstand, der von der hiesigen Politik, laut gewissen Kreisen, zu wenig berücksichtigt würde.
Der Schweizer Bundesrat schien auf diesen internationalen Notstand insofern souverän geantwortet zu haben, in dem er seiner Bevölkerung empfahl, des Abends länger fern zu gucken. Er veranlasste diesbezüglich extra die Wiederausstrahlung nach Mitternacht der in den 90er sehr beliebten Schweizer Sitcom Fascht-e-Familie, was gerade die Hochrisikogruppe der über 70-Jährigen veranlasste, dem Bett länger fern zu bleiben. Weiter verordnete er eine offizielle Bürosiesta von mindestens 3 Stunden und forderte die arbeitstätige Bevölkerung dazu auf, solidarisch früher zur Arbeit zu gehen – und dort auch länger zu bleiben. Um der so künstlich produzierten Überstundenflut gerecht zu werden, hebelte der Bundesrat nicht nur kurzerhand das Arbeitsrecht aus, sondern anerbot weiter den wegen der Überproduktion kriselnden Unternehmen finanziell unter die Arme zu greifen. So konnte denn erfolgreich ärgerer Schaden an der helvetischen Wirtschaft abgewendet werden.
Doch die Lage blieb weiterhin kritisch und gerade in den Krankenhäusern und den Altersheimen akut. So machte denn zum Beispiel der Skandal die Runde, dass Altersheime im Kanton Uri ihren Alten erlauben würde, morgens bis 7 Uhr aus zu schlafen, was prompt zu einer erhöhten Bettsterblichkeit führte. Überhaupt sorgte sich die hohe Bundespolitik, dass die Bevölkerung gegenüber der Problematik einschlafen und eine zunehmende Lässigkeit in die Bettruhe einkehren könnte. Und dies obschon auf der Strasse ob der allgemeinen, paranoiden Schlaflosigkeit en Masse Menschen mitten in Aktion einfach einschliefen. So wurde denn – analog wie es schon in Deutschland galt und dort auch schon auf eine Jahrhundertalte Tradition zurück zu führen ist – einen allgemeinen Bettzipfelmützenzwang erklärt. Diese Massnahme galt verwunderlicher Weise generell als einen hervorragenden Kompromiss, da sie der Bevölkerung doch zumutbar sei und der Wirtschaft überhaupt nicht schädlich. Zudem es doch jedem einleuchtete, dass Bettzipfelmützen einfach etwas bringen müssten. Zumindest solange, wie es keine besseren Alternativen gab. Die Bedenken am Rande, von einzelnen Störenfrieden hervorgebracht, dass Bettzipfelmützen Läusehorte sein könnten und dass es keine nennenswerte, wissenschaftlichen Beweise gäbe, dass mit Bettzipfelmützen die Bettsterblichkeit verringern würde, wurde gerne mit dem Verweis gekontert, dass Bettzipfelmützen in Deutschland schon lange vor dem globalen Notstand getragen wurden und, nun wirklich, würden sich 80 Millionen Deutsche (und übrigens auch die Appenzeller in der Schweiz) so einfach irren? Und es wäre doch auch aufgefallen, hätten Deutsche (und Appenzeller) alle deswegen Läuse gehabt!
Was ist der Punkt dieser absurden Geschichte? Dass die statistische Aussage wahr oder unwahr sei – oder überhaupt unseren Umgang mit solchen abstrakten Informationen? Abstand zum globalen Wahnsinn für eine Besinnung, tut Not, darum diese Satire.